Goetheanum Rudolf Steiner
Mit dem Schwarzbubenland sind einige Persönlichkeiten verbunden, darunter der Politiker Otto Stich. Ins Schwarzbubenland kam auch Rudolf Steiner, und starb in Dornach – am 30. März 1925. Sein Wirken hinterliess Spuren, die noch heute sichtbar sind und weiterwirken. Das macht 2025 eine Ausstellung nacherlebbar.
Am Bahnhof Dornach-Arlesheim steht neben dem Automat für Passfotos, zwischen Bahnhofsgebäude und Kiosk, eine knallfarbige Bank. Und ein Koffer. Hat ihn jemand vergessen? Ihn ins Fundbüro zu tragen, ist jedoch nicht möglich – ist er doch im Boden verankert. Es handelt sich um einen Bronzenachguss eines Koffers von Rudolf Steiner. Rudolf Steiner? Warum wird seinem Koffer und ihm selbst in einer Gedenktafel so viel Aufmerksamkeit geschenkt (am 29. März 2025 um 13.30 Uhr mit Ansprachen von Daniel Urech, Präsident der Gemeinde Dornach, und Miljenko Horvat, Bürgermeister von Donje Kraljevec, dem Geburtsort von Rudolf Steiner)?
Ich unterquere die Bahnstrecke, gehe am neuestheater.ch und der Migros vorbei den Hügelweg hinauf. Hier wird bald ein grosses Gebäude sichtbar: das Goetheanum. Es ist seit rund 100 Jahren und bis heute eine der prägnantesten architektonischen Besonderheiten des Schwarzbubenlands, ja der Schweiz: ein grosser Pionierbau in Beton. Er gehört zum Bundesinventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) und vertritt den Kanton Solothurn in der 2022 lancierten Liste der 50 schweizweit ausgewählten Objekte im Projekt ‹Verliebt in schöne Orte›.
Die Form dieses Gebäudes geht auf Rudolf Steiner zurück. Nachdem es in München nicht gelungen war, die damals noch Johannesbau genannte Veranstaltungsstätte zu errichten, stellte der Basler Zahnarzt Emil Grossheintz weite Teile des Geländes zur Verfügung: Das Erste Goetheanum und seine Nebenbauten entstanden in Dornach. Durch Brandstiftung ging dieser erste Bau – weitgehend aus Holz – 1922/23 verloren. Der Nachfolgebau entstand noch nach Entwürfen Rudolf Steiners und ist als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft frei zugänglich, Führungen sind kostenpflichtig. Erhalten aus Rudolf Steiners Zeit sind die Schreinerei (heute ein Saal für diverse Veranstaltungen) und die sogenannten Nebenbauten, am auffälligsten das Glashaus mit seiner Doppelkuppel und das Heizhaus mit seinem ‹flammenden› Schornstein.
Das Goetheanum wird gern von Wandernden und Gruppen aufgesucht, im Gartenpark flanieren Hundebesitzerinnen und -besitzer, spielen Kinder, findet alljährlich das Campus-Fest als eine Art Tag der Offenen Tür statt. 2024 wurden im Gartenpark das expresssive Präparatehaus und der Bienenturm errichtet. Im Präparatehaus werden Präparate für die biodynamische Landwirtschaft/Gärtnerei bereitet; im Bienenturm ist das Wesen der Bienen sensorisch zu erleben: Man schmeckt den Wachs, man hört ihr Summen (saisonal). Zudem gibt es feste und wechselnde Ausstellungen, darunter zum Metamorphose-Gedanken des Goetheanismus und ein Modell vom ersten Goetheanum, das durch einen Einstieg von unten auch einen Eindruck vom inneren Raum vermittelt.
Vom Gartenpark aus ist die Schartenfluh des Gempenplatteaus erkennbar. Sie hat zunächst nichts mit Rudolf Steiner zu tun. Vergleicht man jedoch die Form des Felsens mit der des heutigen Goetheanum, mag man wie Christiaan Stuten in seinem Buch ‹Der Goetheanum-Bau in seiner Landschaft› eine Ähnlichkeit erkennen. Mir geht es jedoch jetzt mehr darum, dass es in Gempen die ‹Sonnhalde› gibt, eine Einrichtung für Menschen aus dem autistischen Spektrum. Sie bezieht sich auf das von Rudolf Steiner entwickelte Menschenbild.
In der Nachbarschaft, im Kanton Basellandschaft, befindet sich der ‹Sonnenhof›, eine Gründung von Ita Wegman, eine pionierhafte Mitarbeiterin von Rudolf Steiner. Der ‹Sonnenhof› ist eine Einrichtung für Menschen mit Unterstützungsbedarf. In relativer Nähe ist der Standort der anthroposophischen Klinik Arlesheim , ebenfalls eine Gründung von Ita Wegman.
Mit dem Goetheanum entstand die sogenannte anthroposophische Kolonie. Sie wird nicht zuletzt durch die Architektur zahlreicher Häuser (und teilweise ihrer Gartenanlagen) erkennbar. Auf den Wegen des Architekturpfads kann man viele dieser Gebäude kennenlernen, ein Buch gibt Einblick auch in das Innere mancher dieser Häuser.
Um nun mehr darüber zu erfahren, wer Rudolf Steiner war, was er tat und wo er wirkte, hat die Sektion für Bildende Künste am Goetheanum den Architekten Pieter van der Ree beauftragt, eine Ausstellung zum Leben und Wirken Rudolf Steiners zu widmen. Sie startet am 28. März und dauert bis 1. Januar 2026. Der Eintritt ist kostenlos. Man kann hier verfolgen, wie Rudolf Steiner ein Mensch war, dem nicht alles in die Hände fiel, der viel arbeitete und viele inspirierte. In Entwicklungsphasen gegliedert, werden seine Wirkensfelder in Kurztexten, Fotos und einzelnen Objekten dargestellt.
Rahmenprogramm am 28. März 2025 um 15 Uhr: Podiumsgespräch mit dem Kunsthistoriker Eugen Blume, dem Architekturprofessor Philip Ursprung sowie Martina Maria Sam und Walter Kugler, um 17 Uhr Ansprache vom Solothurner Nationalrat Felix Wettstein.
Wer sich lieber von zuhause aus mit Rudolf Steiners beschäftigen möchte, kann sich die Vortragsreihe ‹Rudolf Steiner. Signaturen eines Werdens› auf GoetheanumTV anschauen. Auch diese Livestreams sind kostenlos (Mediathek geplant, Stand: Februar 2025).
Im Gedenkjahr zu seinem 100. Todesjahr sind die Veranstaltungen im Schwarzbubenland und der weiteren Region auf der Webseite steiner100.ch zusammengestellt.
Text und Fotos: Sebastian Jüngel, Foto (Goetheanum von oben): Xue Li