Viel Staub wird nicht mehr aufgewirbelt in den Räumen der Recticel AG in Flüh. Noch vor zwanzig Jahren war das Gebäude eine klassische Fabrik. Geblieben ist die Nischenproduktion.
Cristina Sendon und Peter Walthard, © Wochenblatt
In den Produktionsanlagen herrscht ein angenehmes Klima. Es ist nicht zu kalt und nicht zu warm. Ruhig, mit Geduld und Vorsicht wird hier an Unterfederungen, Matrazen und Kissen gearbeitet. Produktionsleiter Markus Zoller führt eine Delegation der Wirtschaftsförderung Schwarzbubenland durch den Betrieb. Er hat die guten und die weniger guten Zeiten erlebt: Auf Grosserfolge am Markt folgten Personalabbau und der Verkauf. «Ohne Recticel würde die Marke Swissflex nicht mehr existieren», sagt Zoller. Der belgische Kunststoffgigant war ursprünglich als Partner beim Produktionsbetrieb in Flüh eingesteigen und hat dann übernommen. In der Schweiz produziert wird noch wegen der Marke. «Swissflex», derzeit gross nachgefragt in China, wirbt mit Schweizer Qualität. Da müssen die Kriterien der «Swissness» eingehalten werden.
Für die Qualität verantwortlich sind Produktionsleiter Markus Zoller und seine meist elsässischen Mitarbeiter. Insgesamt 60 Personen arbeiten heute noch am Standort, zwischenzeitlich war die Zahl gar auf 40 gesunken. Nun gehe es wieder aufwärts, meint Zoller zuversichtlich. Man sei am rekrutieren. «Die Chinesen sind wild auf unsere Produkte», freut er sich.
«Die Zähne ausbeissen»
Von dort, aus China, kommt aber auch die grösste Gefahr: Billige Imitate, die die Preise auf dem Markt immer tiefer drücken. Gegen sie führt Flüh High-Tech ins Feld: Die ausgeklügelten Unterfederungen, die optimales Liegen ermöglichen, brauchen viel Know-How. Das beginnt beim Material. Bis zu vierzehn Kunststoffrezepturen stellen sicher, dass die Komponenten den Belastungen standhalten, für die sie ausgelegt sind. Sie sind selbstverständlich geheim, werden bei Brac in Breitenbach von eigens dafür konzipierten Maschinen hergestellt.
«Wenn der Chinese das nachbauen will, wird er sich erst einmal die Zähne ausbeissen», sagt Zoller martialisch und klopft auf eine der Komponenten: «Eine etwas andere Kunststoffmischung, und das Teil bricht bei der geringsten Belastung.» Es ist die einzige Strategie, die am Hochpreisstandort Schweiz überhaupt noch industrielle Produktion erlaubt: Man muss der Konkurrenz stets zwei Entwicklungsschritte voraus sein.
Möglich ist dies nur dank der Mutterfirma aus Belgien. In den neunziger Jahren feierte die damalige Matra AG mit ihren Swissflex-Produkten zwar grosse Erfolg, konnte diese aber kaum in schwarze Zahlen umsetzen. 1999 suchte man deshalb einen finanzkräftigen Partner und fand ihn in Recticel, die den Betrieb schliesslich komplett übernahm.
Produziert wird durchwegs im hochpreisigen Segment. Dafür sei die Lebensdauer hoch, so Zoller: «Es gibt Kunden, die heute noch nach Ersatzteilen für Betten aus den 90er Jahren fragen.»