Seewen Musikautomatenmuseum
In Seewen befindet sich auf 610 Metern Höhe ein Museum von weltweiter Bedeutung. Das Musikautomatenmuseum ist in seiner Sammlung von vor allem Schweizer Musikautomaten einzigartig. Es zeigt zahlreiche Objekte von der kleinen Spieluhr über musizierende Figuren bis zur saalfüllenden Orgel der Britannic, dem Schwesternschiff der Titanic. Auch Kinder können sich entfalten.
Wer einen günstigen Kurs bekommen hat, wird mit der Buslinie 67 mit der Station „Musikautomaten“ direkt vor das Musikautomatenmuseum, Bollhübel 11, gefahren (dort gibt es auch Autoparkplätze). Ansonsten kann man in einer guten Viertelstunde von der Busstation Herrenmatt zum Museum hinauflaufen (zurück zur Grellingerstrasse und dann rechts in die Dorfstrasse – das Museum ist gut über die Ausschilderung zu finden).
Der moderne Museumsbau von 2000 wirkt von aussen schlicht-funktional. Das Innere wird einem über eine einstündige Führung erschlossen. Dabei zeigt sich: Musikautomaten sind mehr als Spieluhren. Gleich im Foyer, wo man sich zur Führung sammelt, beeindrucken zwei grosse Jahrmarktsorgeln und eine Tanzorgel; durch die Führenden werden sie und andere Automaten live in Gang gesetzt.
Der Werkstattsaal veranschaulicht die verschiedenen Techniken der mechanischen Musik. Ob Walze oder Platte – die Grundlagen sind einfach und raffiniert zugleich; zugleich sind sie Vorboten der späteren Digitaltechnologie.
Die Musikautomaten stehen für Prestige – das zeigt der Salon bleu. Er ist liebevoll im Stil eines Wohnzimmers des gehobenen Bürgertums und Adels zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestaltet. Die Grösse des Ausstellungsraumes erlaubt, damals übliche Musikautomaten auf einen Blick zu überschauen. Es gibt beispielsweise Rollen und Scheiben. Der gute Klang überrascht immer wieder.
Die Musikautomaten hier schliessen nicht aus, dass in diesen Haushalten auch selbst musiziert wurde; so gibt es Flügel, die entweder von Menschen bespielt oder als Automaten genutzt werden können. Den Umgang mit diesen Automaten stelle ich mir so vor wie das neue Smartphone, das im Freundeskreis herumgereicht wird. Damals war es die Technik für mechanische Musik.
Doch warum diese Klangqualität? Zum einen werden normale akustische Instrumente bespielt, zum anderen basiert die „Programmierung“ von Tonträgern immer wieder auf Einspielungen von Berufspianisten oder gar von Gabriel Fauré und Claude Débussy. Allein der Bestand von 1230 Musikrollen für die Welte-Philharmonie-Orgel, die für die Britannic vorgesehen war, gibt Einblicke in die Aufführungspraktiken in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Der Tanzsaal zeigt Orchestrien. Hier werden verschiedene Instrumente in einem zusammengefasst – auf diese Weise wurde die Tanzband ersetzt. Sogar für das Bespielen von Geigen wurde eine Technik gefunden: der Rundbogen.
Im Laufe der Führung zeigt sich, welche hohe Anforderungen an die Feinmechanik nötig sind, damit auf Grundlage von Tonträgern wie Holz- oder Metallwalzen, aus Metallscheiben oder Papierlochrollen Musik erklingen kann. Bei grösseren Automaten kommt noch Luft als Steuerungsmedium hinzu, weshalb die Instrumente am Ende ihres Stückes herrlich wie ein Drache schnauben können.
Immer wieder wird der Ehrgeiz der Erbauer deutlich, die nicht zufällig eine Nähe zur Uhrenindustrie haben, etwas ganz Besonderes zu schaffen. Etwa bei jenen Figuren, die sich dem Zuschauenden zuwenden und die Augen bewegen. Dabei spielt auch der Humor eine grosse Rolle. Als sich eine Malerfigur den Zuschauenden zuwendet, streckt das Porträtbild seine Zunge noch weiter hinaus. Unerhört! (In Neuenburg gibt es übrigens im Musée d’Art et d’Histoire unter den drei Androiden eine orgelspielende Roboterin.)
Der Gründer des Museums, Heinrich Weiss, begann denn auch mit dem Reparieren und Sammeln von Uhren – bis sich sein Interesse auch auf Musikdosen, Plattenspieldosen, Orchestrien und andere mechanischen Musikautomaten erstreckte. 1979 machte er seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich.
Für Kinder gibt es einen Laufzettel, durch den Fragen zu den ausgestellten Automaten und praktische Aufgaben zu ihrer Programmierung zu bearbeiten sind.
Das Museum veranstaltet zudem thematische Sonderausstellungen und Konzerte. Darüber hinaus setzt sich das Museum im Rahmen von „Kultur inklusiv“ für die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein. Und es hat einen Prospekt mit 21 Wandertipps rund ums Museum herausgegeben.
Das Museum ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet (Eintritt bis 17 Uhr). Die Führungen durch die permanente Ausstellung finden täglich um 12.20 Uhr, 14.00 Uhr und 16.00 Uhr statt, die zur Britannic-Orgel um 13.40 Uhr und 15.40 Uhr.
Das Museum verfügt über ein Restaurant und einen Museumsshop. Link: Musikautomatenmuseum Seewen
Text und Fotos: Sebastian Jüngel
[…] Grellingerstrasse sehe ich auf die Matten, wo einst der See bei Seewen war. Im Ort liesse sich das Museum für Musikautomaten besuchen oder, wenn man nicht auf ein parkiertes Fahrzeug angewiesen ist, zu Fuss nach Dornach […]