Das Schwarzbubenland ist reich an bemerkenswerter Architektur. Weltweit einmalig ist die Konstellation von Häusern in anthroposophischer Bauweise in Dornach (und Arlesheim). Auf vier Wegen des Architekturpfads Dornach Arlesheim und eigenen Wegen lässt sich eine Vielfalt an Bauformen studieren.
Von weitem schon sieht man den Monumentalbau Goetheanum. Wenn man seine Umgebung erkundet – beispielsweise ausgehend von der Bahnstation Dornach-Arlesheim mit anschliessendem Fussweg entlang des Hügelwegs aufwärts –, wird man über 170 Wohn- und Zweckbauten finden, die vom anthroposophischen Architekturimpuls inspiriert sind.
Auf diesem Weg, gerade oberhalb der Migros und unterhalb des mutmasslichen einstmaligen Badehauses befindet sich eine der Tafeln des Architekturpfads mit vier Wegvorschlägen. Eine andere dieser Tafeln befindet sich im Süden des Goetheanum. Von hier aus wandere ich der eigenen Nase lang durch die Strassen um das Goetheanum. Mir fallen verschiedenste Gebäudeformen auf. Meistens ist es ein Wohnhaus, mal villenartig, mal ein Mehrfamilienhaus. Es gibt ein Speisehaus, ein Altenheim, manch eine Kunstschule, auch eine Garage fällt mir auf.
Um mich in dieser Vielfalt nicht zu verlieren, achte ich zunächst auf die Eingänge. Diese haben oft ein dynamisch geformtes Überdach oder weisen einen fast schon höhlenartigen Zugang zur Haustür auf. Auch die Dachformen sind recht verschieden; sie bilden zuweilen bewegte Landschaftsformen, mal ‹klassischer›, mal gewagter. Hier und da befindet sich vor dem Garten eine Eingangspforte. Auch diese weisen sowohl ähnliche Stilmerkmale als auch recht individuelle Formen auf. Bei recht vielen (wenn bei weitem auch nicht allen) Häusern steht eine Skulptur.
Dieses Detail führt mich zur Frage, warum das alles so ist, wie es ist.
Alternative Lebensformen wurden auch in der Gartenstadt Hellerau, Deutschland, und auf dem Monte Verità baulich umgesetzt. Auch die einstige Anthroposophen-Kolonie wurde als Villenkolonie und Gartenstadt realisiert. Anders als ‹Ballenberg› bildet sie kein Ensemble historischer Bauten, ihre Häuser sind weiterhin bewohnt. Anzahl und Vielfalt macht dieses Ensemble weltweit einmalig.
Wer das Gesehene und Entdeckte vertiefen möchte, findet 50 Hausporträts über Architekt, Bauherr und Grundrisse im ‹Architekturführer Goetheanumhügel› von Jolanthe Kugler. Hier und anderswo ist zu erfahren, dass die Bauformen wiedergeben sollen, was in den organisch geformeten Häusern geschieht. Sie streben dabei keine naturalistische oder symbolhafte Nachbildung von Naturformen an, sondern machen nach eigenem Anspruch Gestaltungsprinzipien erlebbar, wie sie in der Natur als Verwandung und Entwicklung, als Polarität und Steigerung wirken. Rudolf Steiner, auf den sich die jeweiligen Architekten berufen, wurde dazu von den Studien Johann Wolfgang von Goethes zur Morphologie und zur Metamorphose angeregt.
Warum aber Skulpturen? Weil hier Leben und Arbeiten direkt miteinander verbunden wurden und werden (viele der Skulpturen sind neueren Datums). Die frühen Häuser der sogenannten Anthroposophen-Kolonie betonten das Studium stärker als das ‹gemeine Leben›: Das schlägt sich nieder in tendenziell grossen Wohnzimmern, Übsälen (für Eurythmistinnen) und Ateliers (für bildende Künstler), während Schlafzimmer und Küchen eher klein bis winzig ausfallen. Man ging zum Essen in die Kantine, das heute noch bestehende Kaffee- und Speisehaus (Vital-Restaurant).
Am – seit 1993 denkmalgeschützten – Goetheanum haben sich die frühen Häuser gern ausgerichtet. Teils im wahren Sinne des Wortes, etwa wenn sie wenigstens ein Fenster aufweisen, durch das die Bewohnerinnen und Bewohner zum Goetheanum schauen konnten.
Rudolf Steiner selbst entwarf zwischen 1913 und 1925 zwölf Bauwerke: Sie reichen von einem kleineren Transformatorenhaus über Wohngebäude für Eurythmistinnen bis zum Goetheanum: Auffallend sind inmitten dieser Entwürfe das Glashaus mit seinen Holzschindeln und das Heizhaus mit seinem expressionistisch in die Höhe strebenden Schonstein, dessen Seiten die Formen von Flammen aufgreifen.
Von anderen Architekten stammen die Wohnhäuser und Garagen wie die für Miluska Farnikowa im Oberen Zielweg 7a. Neben gross zügigeren Häusern wie das Haus de Jaager und das Haus Stuten (hier mit Elementen der Architektur niederländischer Nordseebäder) fällt das Haus Moser, Ruchti-Weg 15 auf, das im Inneren nur 3,6 Meter breit ist.
Der Besuch des Architekturpfads kann auf eigene Bedürfnisse zugeschnitten werden. Die erwähnte Tafel schlägt vier Wege vor, die möglichst viele Häuser miteinander verbinden – ohne thematisch ausgerichtet zu sein.
Geplant und umgesetzt wurde der Architekturpfad Dornach Arlesheim 2011 durch die Gemeinden Dornach und Arlesheim, die Anthroposophische Gesellschaft in der Schweiz, die Stiftung Edith Maryon und das Goetheanum in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz sowie weiteren Institutionen. Getragen wird der Architekturpfad Dornach Arlesheim seit 2013 vom gleichnamigen Verein.
Quellen
Verein Architekturpfad Dornach-Arlesheim
Text und Fotos: Sebastian Jüngel